Cannabis endlich in Deutschland legalisiert!

Ist es wirklich schon soweit? Haben wir jetzt auch hierzulande „kalifornische Verhältnisse“?
Leider nicht, meint Rechtsanwalt Daniel Sebastian aus Berlin.

Allerdings gibt es Bewegung im Markt. Seit einigen Jahren werden vermehrt Cannabis-Produkte
angeboten. Über das Internet, über „Hanf-Cafés“ und auch über Apotheken und Supermärkte. Das
Zauberwort heißt „CBD“.
Doch was genau ist CBD und ist es vollkommen legal? Diese Frage interessiert viele Verbraucher,
aber insbesondere auch Onlinehändler und Ladenbetreiber.
RA Sebastian: Bei CBD handelt es sich um Cannabidiol. Dieser Stoff ist in den Hanfpflanzen, die
umgangssprachlich auch „Gras“ genannt werden, neben dem berauschenden Stoff THC
(Tetrahydrocannabinol) enthalten. CBD wirkt in gewisser Weise gegensätzlich zum THC, kann also
den Rausch in gewissem Maß sogar unterdrücken, wirkt antipsychotisch. Es hat viele positive
Eigenschaften, wirkt schmerzlindernd, beruhigend und hilft gegen Entzündungen. Aus diesem Grund
ist es neben dem Hauptwirkstoff THC auch schon länger im Fokus der Pharmaindustrie zur
Entwicklung neuartiger Medikamente. Cannabidiol, also CBD, ist nicht in der Anlage 1 zum BtMG
(Betäubungsmittelgesetz) enthalten. Der Verkehr damit ist daher nicht per se verboten.

Also kann CBD frei verkauft werden?

RA Daniel Sebastian: Vorsicht ist geboten! Zunächst ist zu unterscheiden, in welcher Form das CBD
vorliegt. Es gibt hier diverse Extrakte, meist auf Ölbasis, aber auch in kristalliner Form. Diese sind aus
strafrechtlicher Sicht unbedenklich, da sie nicht im Betäubungsmittelgesetz gelistet sind und damit
auch keine Betäubungsmittel darstellen. Der Handel damit steht so zunächst erstmal nicht unter
Strafe. Allerdings heißt das noch nicht, dass der Stoff frei verkäuflich wäre.
Davon abzugrenzen sind Hanfblüten, also „Marihuana“, die weit überwiegend CBD und kein oder
kaum THC enthalten. Das gleiche gilt für andere Pflanzenteile, also Blätter und Stengel. Diese sind als
Cannabis (Pflanzen oder Pflanzenteile) in der Anlage I zu § 1 Betäubungsmitttelgesetz enthalten und
stellen daher zunächst erstmal Betäubungsmittel dar.
Hier gibt es allerdings einige Ausnahmen von der Regel. Unter Buchstabe b) ist folgender, sperriger
Satz zu lesen:

  • (ausgenommen), wenn sie aus dem Anbau in Ländern der Europäischen Union mit
    zertifiziertem Saatgut von Sorten stammen, die am 15. März des Anbaujahres in dem in
    Artikel 9 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 639/2014 der Kommission vom 11. März 2014
    zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des
    Rates mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im
    Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Änderung des
    Anhangs X der genannten Verordnung (ABl. L 181 vom 20.6.2014, S. 1) in der jeweils
    geltenden Fassung genannten gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten aufgeführt sind, oder ihr Gehalt an Tetrahydrocannabinol 0,2 Prozent nicht übersteigt und der Verkehr mit ihnen (ausgenommen der Anbau) ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen.

Der hier interessante Teil ist in erster Linie der hintere. Es kommt darauf an, dass ihr Gehalt an
Tetrahydrocannabinol 0,2 Prozent nicht übersteigt und der Verkehr mit ihnen ausschließlich
gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken
ausschließen.


Der Gesetzgeber wollte also vor allem verhindern, dass die Menschen einen „Missbrauch zu
Rauschzwecken“ betreiben, mit anderen Worten, high werden.
Mit der Frage, was das genau bedeutet, hat sich jüngst wieder der BGH (Bundesgerichtshof)
auseinander gesetzt.

Worum ging es in dem Urteil und was sind die Konsequenzen?

Rechtsanwalt Sebastian: Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 24.03.2021, AZ 6 StR 240/20
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-
bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=117178&pos=0&anz=1
(Links zur
Verfügung stellen?) zur Strafbarkeit des Verkaufs von sogenanntem „Hanftee“ entschieden.
Die entscheidende Feststellung des BGH und ein erfreulicher Schritt in die richtige Richtung liegt
darin, dass eine Abgabe von Hanfprodukten an Endverbraucher nicht grundsätzlich verboten ist,
wenn ein Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen ist. Das hatte diverse Gerichte vorher
anders gesehen. Ein gewerblicher Zweck muss danach beim Endverbraucher nicht mehr vorliegen,
dieser darf auch lediglich konsumieren.
Allerdings war der von den Angeklagten verkaufte (Nutz-)Hanf nach den Feststellungen des Gerichts
tatsächlich dazu geeignet, einen Missbrauch zu Rauschzwecken zu ermöglichen. Durch den Einsatz
als Zutat für Gebäck – sogenannte „Cookies“ oder „Brownies“ – wäre es theoretisch möglich
gewesen, eine Rauschwirkung zu erzielen. Das wussten die Angeklagten jedoch nicht. Deshalb dürfte
dieser Umstand von ihrem Vorsatz nicht umfasst gewesen sein. Die Sache wurde zurück verwiesen
und ist damit noch nicht endgültig entschieden.
Daran zeigt sich, dass der Handel mit Hanfblüten oder anderen Pflanzenteilen auch dann immer noch
strafbar sein kann, wenn es sich um Nutzhanf handelt, da die enthaltenen THC-Mengen so weit
abweichen können, dass tatsächlich ein Rauschpotential besteht.
Im Zweifel ist daher vom Handel abzuraten. Hinzu kommt, dass insbesondere größere Mengen CBD-
Gras bei einer Beschlagnahme eventuell nicht sofort als solches identifiziert werden, sondern für
„normales“ Marihuana gehalten werden. Dies kann dazu führen, dass Untersuchungshaft angeordnet
wird und diese erst später – womöglich erst nach der Hauptverhandlung – für rechtswidrig erklärt
wird. So kann der Händler im schlimmsten Fall einige Monate zu Unrecht in Haft verbringen.

Gibt es ähnliche Schwierigkeiten auch beim Handel mit anderen CBD-Produkten?

Rechtsanwalt Daniel Sebastian: Ja, definitiv. Behörden, aber auch Wettbewerber versuchen immer
wieder, den Handel zu unterbinden oder zu erschweren.
Frankreich hatte zum Beispiel versucht, aus Pflanzen hergestelltes CBD zu verbieten, obwohl
synthetisch hergestelltes CBD nicht verboten war. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner
Entscheidung in der Rechtssache C-663/18 vom vom 19. November 2020 entschieden, dass das so
nicht zulässig ist. Der freie Warenverkehr werde unzulässig eingeschränkt. Außerdem habe das
nationale Gericht jedoch die verfügbaren wissenschaftlichen Daten zu würdigen, um sich zu
vergewissern, dass die geltend gemachte tatsächliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit nicht auf
rein hypothetischen Erwägungen beruht. Ein Vermarktungsverbot für CBD, das im Übrigen das
restriktivste Hemmnis für den Handel mit in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellten und
vermarkteten Produkten darstelle, könne nämlich nur erlassen werden, wenn diese Gefahr als
hinreichend nachgewiesen anzusehen ist.
Der EuGH stellte fest, dass nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, das
in Rede stehende CBD, anders als Tetrahydrocannabinol (gemeinhin als THC bezeichnet), ein
weiteres Cannabinoid des Hanfs, offenbar keine psychotropen Wirkungen oder schädlichen
Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat.
Es muss aber betont werden, dass auch dieses Urteil keinen „Freibrief“ für den Handel mit CBD-
Produkten darstellt.

Wie sieht denn die Rechtslage speziell in Deutschland aus?
Rechtsanwalt Sebastian: Zum einen werden CBD und andere Cannabinoide als neuartige
Lebensmittel („Novel Food“) im Sinne der VERORDNUNG (EU) 2015/2283 über neuartige
Lebensmittel eingestuft und sind daher grundsätzlich zulassungsbedürftig.
Das Bundeministerium für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit führt dazu aus
https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/01_Lebensmittel/04_AntragstellerUnternehmen/13_F
AQ/FAQ_Hanf_THC_CBD/FAQ_Cannabidiol_node.html
:
Dem BVL ist derzeit keine Fallgestaltung bekannt, wonach Cannabidiol (CBD) in Lebensmitteln, also
auch in Nahrungsergänzungsmitteln, verkehrsfähig wäre.
Aus Sicht des BVL muss für CBD-haltige Erzeugnisse vor dem Inverkehrbringen entweder ein Antrag
auf Zulassung eines Arzneimittels oder ein Antrag auf Zulassung eines neuartigen Lebensmittels
gestellt werden. Im Rahmen dieser Verfahren ist die Sicherheit des Erzeugnisses vom Antragsteller zu
belegen.

Allerdings handelt es sich bei der Nutzpflanze Hanf wiederum nicht um ein neuartiges Lebensmittel,
da diese bzw. ihre Bestandteile zum Teil seit Jahrtausenden als Lebensmittel genutzt werden.
Die Rechtslage ist also keineswegs klar, eine rechtliche Beratung vor dem Inverkehrbringen dringend
erforderlich.

Gibt es weitere rechtliche Risiken?
Rechtsanwalt Sebastian: Ja, allerdings. Denn die CBD-Produkte stehen ja in dem Ruf,
gesundheitsfördernde Wirkungen zu haben. Insbesondere sollen sie gegen Schmerzen helfen, einen
gesunden Schlaf fördern und gegen diverse psychische Probleme wie zum Beispiel Angststörungen
helfen. Für ihre beruhigende und antiinflammatorische Wirkung werden sie gerne angepriesen.
Doch auch wenn diese Wirkungen vorhanden sein mögen, damit werben darf man nicht. Denn hier
greift die Health Claims Verordnung (HCVO): Die EG-Verordnung 432/2012 besagt, dass
gesundheitbezogene Werbung, insbesondere Heilsversprechen, nur zulässig sind, wenn der
Inhakltsstoff, um den es geht, in der eigenen Positivliste der HCVO enthalten ist. Das ist bei CBD nicht
der Fall. Daher dürfen keinerlei gesundheitsbezogene Aussagen bei der Werbung gemacht werden. In
der Praxis heißt das, dass die positiven Wirkungen von CBD im Prinzip überhaupt nicht beworben
werden dürfen.
Dies ist eine Abmahnfalle. Es drohen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen der Konkurrenz. Denn
ein Verstoß gegen die HCVO ist auch ein Wettbewerbsverstoß. Bei Art. 10 HCVO handelt es sich um
eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG, deren Missachtung geeignet ist, den
Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern und Verbrauchern im Sinne des § 3a UWG spürbar zu
beeinträchtigen (BGH GRUR 2016, 1200 Rn. 12 – Repair-Kapseln). Das gilt auch für die Regelungen in
§ 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB und Art. 7 Abs. 1 a) und b), Abs. 4 LMIV.
Schließlich kommt auch noch ein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) in Betracht. Auch hier
drohen im schlimmsten Fall Strafen oder Bußgelder.
Bevor man also den Handel mit CBD-Produkten in Erwägung zieht – die Margen und Gewinne sind
enorm – ist der Gang zum qualifizierten Rechtsanwalt unerlässlich, um rechtliche Stolpersteine zu
vermeiden.

Wie ist die Rechtslage für den Verbraucher?
Rechtsanwalt Sebastian: Für den Verbraucher ist der Erwerb geringer Mengen CBD zum Eigenkonsum
rechtlich absolut unbedenklich. Bei CBD-haltigen Cannabisblüten gibt es das Risiko der Verwechslung
mit THC-haltigem Marihuana, so dass die Polizei fälschlich von einer Straftat ausgehen könnte.
Gesundheitlich scheinen CBD-Produkte ebenfalls unbedenklich zu sein und tatsächlich vielfach
positive Effekte zu erzielen.

Wie ist der Ausblick für die nächsten Jahre?
Rechtsanwalt Sebastian:
Aus meiner Sicht ist es an der Zeit, Cannabis insgesamt zu legalisieren. Dies haben ja auch viele
Parteien in ihrem Programm, so dass dies schon nach der nächsten Bundestagswahl Realität werden
könnte. Andere Länder wie Kanada oder einzelne Bundesstaaten der USA zeigen, dass das ein

zeitgemäßer Ansatz ist, der die Wirtschaft ankurbelt, kreative Ideen hervorbringt, Steuereinnahmen
schafft und den Markt kriminellen Banden entzieht und so größere Sicherheit für Verbraucher
schafft. Dies würde zudem die Strafverfolgungsbehörden erheblich entlasten und Millionen User
entkriminalisieren.